Sklaven in Altona
© DIE ZEIT, 08.03.2007 Nr. 11
Edwin Asamoah schuftet illegal in Hamburg – in Ghana wartet seine Frau auf das Geld aus Deutschland.
Es ist kurz vor 14 Uhr an diesem Hamburger Wintertag, als Edwin Asamoah* aus der S-Bahn steigt und zielstrebig das unterirdische Labyrinth am Jungfernstieg durchmisst. Asamoah, 42 Jahre alt, eilt die Rolltreppen hinauf, er hält sich aufrecht, schaut die Leute an, nicht ducken, denkt er, denn wer sich duckt, der ist verdächtig. Er glaubt, er falle dann in dieser feinen Gegend noch mehr auf als ohnehin, mit seiner dunklen Haut, den Turnschuhen vom Flohmarkt, dem abgewetzten Fleece-Pulli, den er als Jacke trägt. An einer roten Ampel bleibt er stehen, obwohl die Straße frei ist. Die Polizisten haben ihre Augen überall.
Das Restaurant liegt kaum fünf Gehminuten vom Jungfernstieg entfernt. Nebenan ist ein Theater. Unter Kronleuchtern sitzen die Gäste in stilvollem Ambiente und studieren die kleine, ausgesuchte Karte. Asamoah huscht durch einen Seiteneingang in die Küche und weiter in den Keller, wo er sich seine weiße Küchenjacke überstreift. Seit drei Monaten spült er jetzt das edle Porzellan. Jedes Wochenende kratzt er die Reste der Gänseleberparfaits von den Tellern und kippt abgenagte Wachtelknochen in die Tonne. Er ist einer dieser ungezählten Afrikaner, deren Köpfe manchmal flüchtig in den Bullaugen der Küchentüren auftauchen. Er gehört zu jenen Glücksrittern, die in Scharen nach Europa strömen, um hier als Tellerwäscher, Zimmermädchen oder Altenpfleger anzuheuern. 10000 Menschen ohne Papiere lebten allein in Hamburg, schätzt die Stadt; die Nordelbische Kirche vermutet, es seien zehnmal so viele. Eine Statistik gibt es nicht. Und vielleicht darf es sie nicht geben, denn diese Migranten sind ein Heer von Billiglöhnern, über das man lieber schweigt.
Es ist, als kehre sich die Globalisierung plötzlich um. Nachdem sich in den letzten Jahrzehnten das Kapital globalisierte, globalisieren sich nun die Armen. Sie wollen das Versprechen auf Wohlstand einlösen, das mit den Computern und den Satellitenschüsseln auf ihren Kontinent kam. Etwa 50000 Afrikaner landeten im vergangenen Sommer an den Küsten Südeuropas, und niemand weiß, wie viele mit dem Flugzeug kommen, ganz legal mit einem Visum für Besucher. Läuft es aus, tauchen sie unter. * Namen von der Redaktion geändert
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