Diskussion über Themen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in/mit Westafrika einschließlich (und vor allem) der politischen sowie sozio-ökonomischen Bedingungen in den Ländern und was EZ bewirken kann -- oder auch nicht -- oder ob sie aber nicht sogar schadet. ACHTUNG: In Ermangelung von Kommentaren lediglich Beiträge zu EZ-Themen. _________________________________________________________________

17. Mai 2006

Frankreichs Interessen im Kongo

URL: http://blog.zeit.de/kosmoblog/?cat=16

Ulrich Specks Kosmoblog in der Zeit

Am 21. März habe ich über den wahrscheinlich bevorstehenden Einsatz deutscher Truppen im Kongo geschrieben (Fragen zum Kongo-Einsatz):

“Die Annahme ist durchaus naheliegend, dass Paris sich mit der Unterstützung Joseph Kabilas einen neuen Klienten schaffen will - dass sich Paris gewissermassen als Pate anbietet, und dass die Absicherung der Wahlen als Unterpfand für diese Patenschaft dient. Seit Jahren läuft ein verdeckter Kampf zwischen Frankreich und den USA um Einfluss in Zentralafrika; der Preis ist der Zugang zu den Bodenschätzen. (…)

Frankreich hat ein erhebliches Interesse daran, die eigene Afrika-Politik unter dem EU-Banner laufen zu lassen, das ist billiger, und der EU-Stempel verschafft eine weitaus höhere Legitimität. Deutschland aber kann seinerseits kein erhebliches Interesse daran haben, die französische Afrika-Politik bedingungslos zu unterstützen. Dass die anderen EU-Staaten so sehr zögern, Truppen zu stellen - Briten, Dänen, Niederlaender -, könnte auch sehr wohl damit zusammenhängen, dass sie den Einsatz als ein nationales französisches Unternehmen sehen, entsprechend der post-kolonialen Einflusspolitik, die Chirac seit Jahrzehnten betreibt.

Es ist durchaus möglich, dass die Interessen Frankreichs und Deutschlands übereinstimmen und dass es zu gemeinsamem Handeln kommt. Das aber setzt voraus, dass Deutschland seine Interessen zuvor klar bestimmt und formuliert. Sich zum Instrument französischer Klientelpolitik machen zu lassen ist eine Gefahr, die klar auszuschliessen ist, bevor man einem Einsatz deutscher Soldaten im Kongo zustimmt.”

Nun ist Dominic Johnson für die taz der Frage nach den französischen Interessen im Kongo näher nachgegangen: Diamanten für den Präsidenten. Ergebnis: Das Unternehmen ist mit “französische Klientelpolitik” ziemlich präzise beschrieben. Was Paris im Kongo betreibt, entspricht offenbar dem klassischen Muster französischer Afrikapolitik. Wer Johnsons Bericht gelesen hat, kann nicht mehr naiv argumentieren, hier gehe es um humanitäre oder gar “christliche” (Angela Merkel) Werte. Es geht um massive französische Interessenpolitik - um Einfluss und um Bodenschätze. Johnson schreibt:

“(…) Frankreich hat in der Demokratischen Republik Kongo ehrgeizige Ziele. Das riesige Land im Herzen Afrikas ist Objekt intensivster Umarmungsversuche der ansonsten ziemlich desolaten Pariser Afrikadiplomatie. Verloren gegangener Einfluss aus den Zeiten, als Kongo noch Zaire hieß und von Diktator Mobutu Sese Seko ausgeplündert wurde, soll zurückgewonnen werden und damit ein Stück des verblassten französischen Großmachtruhms.

Die geplante EU-Truppe zur Absicherung der Wahlen im Kongo ist davon der Höhepunkt. Vor Ort soll sie geführt werden von General Christian Damay, der bislang Frankreichs Elfte Luftlandebrigade kommandierte. Diese machte sich 1978 mit der Beteiligung an der berüchtigten Entsendung französischer Fallschirmjäger nach Kolwezi im Süden Zaires einen Namen, wo sie im Kampf gegen mutmaßliche kommunistische Rebellen eingesetzt wurde. Der “Absprung über Kolwezi” steht bis heute im kongolesischen Bewusstsein für die außergewöhnlichen Anstrengungen, zu denen ausländische Mächte zur Sicherung ihrer Interessen im Kongo bereit sind.

Der Vorschlag für die Entsendung einer EU-Truppe wurde in der “toten Zeit” zwischen Weihnachten und Silvester 2005 vom französischen UN-Vizegeneralsekretär Jean-Marie Guéhenno offiziell vorgelegt und bei der EU von denselben französischen Planern weiterverfolgt, die bereits 2003 die französisch geführte EU-Truppe “Artemis” im Nordosten des Kongo konzipiert hatten. Frankreichs Präsident Jacques Chirac drängte Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang 2006 zu einer deutschen Führungsrolle und sorgte gleichzeitig dafür, dass mit der Bereitstellung von Frankreichs engsten Afrika-Verbündeten Gabun als Stationierungsland des Gros der EU-Truppenreserve für Kinshasa die tatsächliche Schirmherrschaft Frankreichs gewahrt blieb.

Zu Mobutu-Zeiten war das damalige Zaire, obwohl gar nicht ehemalige Kolonie Frankreichs, ein Teil der französischen Einflusssphäre in Afrika geworden. Dies war die Zeit, in der Frankreich in Afrika einen deutlich neokolonialen Kurs fuhr: Militärinterventionen waren an der Tagesordnung, französische Berater führten faktisch Militär- und Verwaltungsapparate, französische Unternehmer und Diplomaten steuerten die Außen- und Außenwirtschaftspolitik ihrer Exkolonien, deren Währungsreserven in Paris bei der französischen Zentralbank lagen, deren Haushaltsdefizite von Frankreich gedeckt wurden und deren Präsidenten häufig undatierte Blanko-Truppenentsendungsersuchen in Paris hinterlegt hatten. Das ist heute Geschichte, aber die Nostalgie dafür ist in Paris noch immer weit verbreitet.

Über Zaire hatte Frankreich seinen Einfluss über die ehemaligen Kolonialgebiete in West- und Zentralafrika hinaus in Richtung Osten und Süden ausdehnen wollen. Mit allen französischen Präsidenten verstand sich Diktator Mobutu gut: Valéry Giscard d’Estaing schenkte er Diamanten, Jacques Chirac half er mit Millionenspenden in seinem Präsidentschaftswahlkampf 1988, François Mitterrand stellte er 1994 sein Land als Ausgangspunkt für eine dubiose französische Militärintervention im benachbarten Ruanda zur Verfügung, mit der die Verantwortlichen für den dortigen Völkermord an über 800.000 Menschen auf zairisches Gebiet gebracht wurden. Das war der Wendepunkt: Erst 1994 in Ruanda, dann 1997 in Kongo/Zaire fielen die profranzösischen Regime.

Über den Sturz Mobutus fand Paris schnell hinweg. Mobutus Bezwinger Laurent-Désiré Kabila brach rasch mit seinen proamerikanischen Freunden Ruanda und Uganda, und als dieser Bruch 1998 zum Krieg führte, der Kongo zerfiel und Millionen Menschen starben, war Frankreich im UN-Sicherheitsrat der eifrigste Verbündete Kabilas. Frankreich schreibt traditionell alle UN-Resolutionen zum Kongokrieg und hat immer wieder versucht, die internationale Kritik auf die Gegner Kabilas zu richten. Als Laurent-Désiré Kabila am 17. Januar 2001 von seiner Garde ermordet wurde und das Militär seinen Sohn Joseph Kabila als Nachfolger einsetzte, war Chirac der erste ausländische Staatschef, den der 29-jährige neue Herrscher besuchte - nur fünf Tage nach seinem Amtseid am 26. Januar 2001, als er in seiner Antrittsrede bei der Aufzählung seiner Freunde gesagt hatte: “Ich denke insbesondere an Frankreich, dem ich im Namen des kongolesischen Volkes meinen ganzen Dank ausspreche.” Der Dank hat sich ausgezahlt. Unter Joseph Kabila, der bei den anstehenden Wahlen seine demokratische Legitimation als gewählter Präsident sucht, sind die französisch-kongolesischen Beziehungen so eng geworden wie selten zuvor. Viermal hat Kabila inzwischen offiziell Chirac in Paris besucht. Frankreich ist der drittgrößte Abnehmer kongolesischer Exporte, hinter Südafrika und Belgien. UN-Diplomaten und kongolesische Beobachter bestätigen, dass Paris immer wieder internationale Kritik an Kabila abschwächt.

Auf politischer Ebene hat Frankreich durch Beraterverträge wachsenden Einfluss in den Institutionen des Kongo gewonnen. Am bedeutsamsten war die Entsendung des französischen Verfassungsgerichtspräsidenten Pierre Mazeaud nach Kinshasa Anfang 2005, mit dem Auftrag, am Entstehen von Kongos neuer Verfassung mitzuwirken. Mazeaud, der in der Vergangenheit bereits in anderen Ländern wie Tschad starke Präsidialverfassungen geschrieben hat, sollte auch im Kongo dafür sorgen, dass Präsident Kabila möglichst viel Macht gegenüber Parlament und Premierminister bekommt. Das meiste davon wurde von Kongos Übergangsparlament wieder gekippt, aber der Pariser Einflusswille war deutlich geworden.

Auf ökonomischer Ebene läuft die Einflussnahme ähnlich ab. Per Beratervertrag mit der Weltbank hat sich das französische Consultingbüro Sofreco, das in zahlreichen ehemaligen französischen Kolonien in Afrika Wirtschaftsreformen plant, das Management von Kongos größtem Unternehmen gesichert - Gécamines, das Bergbauunternehmen, dem theoretisch die gigantischen Kupfer- und Kobaltminen von Katanga gehören und dessen Sanierung als Schlüssel zur Gesundung von Kongos Ökonomie gilt. Die Sofreco-Zusammenarbeit mit der Weltbank ist nicht ganz frei von Interessenkonflikten, denn Sofreco soll zugleich das wichtigste Weltbank-Wiederaufbauprogramm im Kongo namens PMURR evaluieren.

Problematischer für eine effektive Arbeit der Franzosen allerdings ist der Umstand, dass in der Herrschaftszeit Joseph Kabilas nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen 70 Prozent der Aktiva von Gécamines, darunter fast alle produktiven Bergbaukonzessionen, an private Partner im Ausland gegangen sind - zu Bedingungen, bei denen dem Staat und der lokalen Bevölkerungen nur ein paar Brosamen bleiben. Joseph Kabila ist damit für einen nationalen Ausverkauf verantwortlich, der die oft angeprangerten informellen Mineralienexporte aus Ostkongo zu Zeiten des Krieges in den Schatten stellt.

Aber aus französischer Sicht macht das nichts: Wichtigster der neuen Partner ist der Belgier Georges Forrest, zugleich Frankreichs Honorarkonsul in Katangas Hauptstadt Lubumbashi. Die Forrest-Unternehmensgruppe ist der größte ausländische Arbeitgeber in ganz Kongo und wird von Katangern als Staat im Staate gesehen, dem sich keine Behörde widersetzen kann. Belgische Nichtregierungsorganisationen nennen Forrest als Hauptfinanzierer von Joseph Kabilas Partei PPRD.

In Katanga werden nach Einschätzung von UN-Experten die Wahlen am problematischsten sein wegen der immensen ökonomischen Interessen. Und niemand wird Kongos zukünftigen Wirtschaftsaufbau kontrollieren können, der nicht Gécamines kontrolliert - und da stehen nun französische Interessen an erster Stelle.”

Ob es im deutschen Interessen liegt, diese Politik zu legitimieren und auch noch mit der Entsendung deutscher Soldaten zu unterstützen, erscheint höchst fraglich.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr:
“Die Bundesregierung kann auf der Grundlage der konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestages Auslandseinsätze der Bundeswehr beschließen, soweit sie sicherheitspolitisch
notwendig sind und auch im nationalen Interesse liegen.” “Das Parlamentsbeteiligungsgesetz bleibt Verfahrensgrundlage der konstitutiven Entscheidung des Parlaments über Auslandseinsätze der Bundeswehr.”

Der Koalitionsvertrag zu Afrika:
“Die Entwicklungen auf unserem Nachbarkontinent Afrika stellen uns vor große humanitäre Aufgaben und berühren unsere strategischen und politischen Interessen. Afrika steht vor gewaltigen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Herausforderungen. Zu den Prioritäten unseres Engagements in Afrika gehören die Bekämpfung von Armut, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sowie eine Politik, die auf Stabilisierung und Wiederaufbau von schwachen oder gescheiterten Staaten setzt.”


ulrich speck | 13:08

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