Kann Kenia in Ghana nach den Wahlen Ende 2008 passieren?
Kürzlich ist auf dem Ghanaweb.com ein Artikel mit dem Titel
Why Kenya will not happen in Ghana
erschienen. Hier ein Auszug:
"There is no symbiosis between
Furthermore, the distinctions between the 2004
Hoffen wir, dass der Mann Recht behält. Allerdings bin ich mir da nicht so sicher! Warum?
Trotz eindeutig positiver Vorzeichen gilt auch für Ghana, dass politische Stabilität nicht selbstverständlich und unumkehrbar ist. So könnten beispielsweise Verteilungskonflikte aufbrechen, die durch eine fehlende Breitenwirksamkeit des Wirtschaftswachstums verursacht werden. Bei Unruhen bestünde die Gefahr, dass sich in einer solchen Situation besonders junge Menschen ohne Arbeit und ohne Perspektive leicht mobilisieren ließen, insbesondere in der Agglomeration Großraum Accra. Zusätzlich käme es ganz sicher zur Ethnisierung solcher Konflikte auf dem Lande.
Die Wahlen Ende 2008 bergen somit ein großes Konfliktpotenzial. Es ist zwar davon auszugehen, dass sie weitestgehend frei und fair und ohne größere Unregelmäßigkeiten von statten gehen werden. Wahlen werden aber nicht nur am Wahltag entschieden. So könnte beispielsweise der Missbrauch staatlicher Ressourcen und Infrastruktur für den Wahlkampf durch die Regierungspartei NPP (New Patriotic Party) zu ernsten Spannungen mit dem NDC (National Democratic Congress) führen. In diesem Zusammenhang würde als Reaktion die politische Unberechenbarkeit des NDC Overlords JJ Rawlings zweifelsohne einen nicht unerheblichen Gefahrenfaktor bedeuten.
Hinzu kommt, dass das Parlament im Rahmen der Gewaltenteilung seine Kontrollfunktion der Exekutive nur sehr unzulänglich wahrnimmt. Auch andere politische und rechtsstaatliche Institutionen sind weit davon entfernt, gefestigt zu sein und damit ihre unabhängige Rolle wahrnehmen zu können, unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie. Natürlich sind die Tage vorbei, in denen wie unter dem Rawlings-Regime Oberste Richter einfach von der Bildfläche verschwinden. Die rechtsstaatlichen Organe und Institutionen sind aber nach wie vor Gefangene der jeweils regierenden Partei.
Die cash-dominierte Präsidentschaftskandidatenkür der NPP hat ein weiteres ernstes politisches Problem Ghanas offenbart. Wir haben es hier mit einem sog. irrational political system zu tun, in dem politische Entscheidungen nicht argumentativ, sondern durch politikfremde Anreize wie Geld(geschenke), ethnische und religiöse Gefühle, Gender, Alter und persönlich ehrverletzende Angriffe herbeigeführt werden. Dieser Trend hat sich bei allen politischen Parteien Ghanas, also auch den kleineren, bei den sog. Primaries nach US-amerikanischen Vorbild als verbindendes "Ghana demokratiespezifisches" Element heraus kristallisiert.
Wie in Kenia sind auch in Ghana die Stakes, die Macht zu verlieren, sehr hoch. Damit ist der Anreiz, Wahlmanipulation zu begehen, ebenfalls sehr groß, da mit dem Machtverlust gleichzeitig ein Korruptionsverfahren mit anschließender Gefängnisstrafe inklusive Hard Labour droht. So hat die Kufuor-Regierung, die mit dem Slogan Zero tolerance to corruption angetreten war, gleich zu Beginn ihrer Amtszeit mehrere NDC-Minister der Vorgängerregierung wegen Korruption vor Gericht gebracht und auch zu Gefängnisstrafen verurteilen lassen. Parallel dazu hat das NPP-Establishment kräftig der Korruption gefrönt. Andererseits gelten im Gegensatz zu Kenia demokratische Grundsätze, wie beispielsweise die paritätische Besetzung der Wahlkommission, in Ghana bereits etwas, und nicht nur wie in Kenia, wenn man in der Opposition ist und an die Macht strebt.
Ein weiterer Unterschied ist, dass im Gegensatz zu Kenia, wo hauptsächlich die Massen auf der Straße betroffen waren/sind, aufgrund der Putsch-Geschichte Ghanas Gewalttätigkeiten zunächst die politische Klasse betreffen werden, wenn auch nicht ganz so blutig wie beispielsweise in Nigeria. Gewalttätigkeiten an der Basis werden sich regional beschränken, wie z.B. auf die Dagbon Region (Yendi) und andere ethnische Hotspots.
Aber gerade die ethnische Schiene birgt auch in Ghana eine große Gefahr, da eventuelle Probleme vor oder nach den Wahlen hauptsächlich aus Accra hierüber ferngesteuert werden. Als Beispiel soll die sog. Dagbon Krise in Yendi (Northern Region) dienen. Die Rahmenbedingung sind äußerst abträglich: Die drei Nordregionen zählen zu den ärmsten der zehn Regionen Ghanas. Entsprechend des in 2006 veröffentlichten Ghana Living Standard Survey Report leben fast 80% der Menschen in Nordghana unterhalb der Armutsgrenze, verdienen also weniger als einen Dollar pro Tag mit einem hohen Analphabetenanteil und hoher Arbeitslosigkeit. Nahrungsmittelunsicherheit und Hunger als Ergebnis niedriger landwirtschaftlicher Produktion und Produktivität sind chronisch. Entwicklungsanstrengungen wurden vor allem durch Konflikte zunichte gemacht. (1) Einige dieser Konflikte wurden im Hintergrund auf der Grundlage ethnischer Spannungen und ethnical devide durch aus Accra ferngesteuerte Parteipolitik angeheizt. Dabei werden sehr oft Jugendliche instrumentalisiert.
Die parteipolitische Dimension dieses zunächst ethnischen Konflikts führte dazu, dass die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen Ende 2004 kaum ordnungsgemäß durchgeführt werden konnten. Die zwei verfeindeten Linien der Königsfamilie (die Abudu und Andani Gates) hatten sich jeweils einer der beiden großen Parteien, NPP und NDC, angeschlossen und somit wurden nationale parteipolitische Gegensätze auf die kommunale Ebene transferiert und damit die bereits bestehenden Spannungen und devides unverhältnismäßig überhöht. Ein kleiner Funke genügt, um dieses explosive Gemisch zu zünden und außer Kontrolle geraten zu lassen. Diese Situation ist in Yendi und Umgebung, also den 6 Dagbon Distrikten, noch nicht gebannt.
Es muss ausdrücklich hervorgehoben werden, dass die Dagbon Krise und andere Krisen im Lande ihre Ursache in Armut, niedrigem Bildungsstand, Abwesenheit von Arbeitsmöglichkeiten und Berufsausbildung, insbesondere unter Jugendlichen, hat – also auch im Versagen der Entwicklungshilfe, die bereits Milliarden in den Norden gepumpt hat, zu suchen ist. Diese Faktoren bedingen und verstärken sich gegenseitig. Die Anfälligkeit für parteipolitische Einmischung in Land- und Chieftaincy Disputes (Thronfolge Streitigkeiten) ist besonders hoch. Aufgrund der vorgenannten Faktoren artet das dann alles in local bad governance aus. Die Stärken des traditionellen Systems, die das auffangen könnten, werden aufgrund der parteipolitischen Geiselnahme der Chieftaincy Institution neutralisiert. Die verfassungsrechtliche Bestimmung der ghanaischen Verfassung von 1992, wonach Chiefs von parteipolitischen Aktivitäten ausgeschlossen werden, hat vor diesem Hintergrund ihre volle Berechtigung. Ihre Umsetzung in die Praxis im Sinne der Verfassungsväter ist aber nur unzulänglich möglich und wird von den politischen Parteien, die eigentlich Garant der Verfassung sein sollten, ausgehebelt.
Neuerdings hat mit der Entdeckung -- angeblich größerer -- Ölvorkommen noch ein anderer hoch explosiver Zündstoff Einzug in die politische Ökonomie Ghanas gehalten! D.h. die Stakes, an den Hebeln der Macht zu bleiben bzw. an sie zu gelangen, um am Ölreichtum teilhaben zu können, sind gewaltig gestiegen! Die von der Regierung dominierte GEITI (Ghana Extractive Industries Transparency Initiative) lässt nicht Gutes erahnen. Das für den 26. bis 28. Februar 2008 geplante Forum on Oil and Gas Developmet hat einmal ganze 1,5 Stunden für die Vertretung der Belange der Zivilgesellschaft (einschl. Parlamentarier!!!) reserviert! Wieder sind es aussenstehende, kulturfremde "Interventionisten", die GTZ über ihr Good Financial Government Project, die ein pre-Forum finanzieren und zusammen mit der KAS organisieren, wo die Zivilgesellschaft und auch Parlamentarier zu Worte kommen können. Wird es, ausser dass es eine Alibifunktion darstellt, die politische Klasse Ghanas beeindrucken? Ich meine: Wohl kaum!
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Umstände, und angesichts einer zunehmenden allgemeinen Ethnisierung sozio-ökonomischer Fragen in der ghanaischen Gesellschaft (2) -- vergleiche z.B. die Online-Kommentare zu den "Latest Ghana News"-Artikeln auf >> ghanaweb -- können Entwicklungen wie in Kenia nach den Wahlen im Dezember 2008 auch in Ghana nicht (ganz) ausgeschlossen werden. Wie weiter oben bereits erwähnt, werden mögliche Auseinandersetzungen aber wahrscheinlich andere Formen als in Kenia annehmen (z.B. sich stärker auf die politische Klasse konzentrieren).
(1) Realistischer Weise muss allerdings auch darauf hingewiesen werden, dass die Nordregionen Ghanas traditionell, also bereits während der Kolonialzeit, wirtschaftlich unterentwickelt gehalten wurden und heute auch noch werden. Vor allem, um als billiger Rohstofflieferant und Arbeitskräftereservoir für den Süden des Landes zu dienen. Es wären Marshallplan ähnliche Anstrengungen nötig, um hier wirklich etwas zu bewirken. Selbst der politische Wille der nördlichen Protagonisten (vor allem in Accra lebende einflussreiche Geschäftsleute aus dem Norden sowie die Nord-MPs) muss angezweifelt werden, da sie von der gegenwärtigen Situation überproportional profitieren. Wobei auch darauf hingewiesen werden muss, dass der Süden in sich auch noch einmal große Disparitäten aufweist. Bereits in kolonialer Zeit hat sich ein sog. Entwicklungsdreieck Takoradi – Kumasi – Tema herausgebildet, das die nachkoloniale wirtschaftliche Entwicklungspolitik nie hat überwinden können (falls es denn politisch gewollt gewesen wäre).
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