Diskussion über Themen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in/mit Westafrika einschließlich (und vor allem) der politischen sowie sozio-ökonomischen Bedingungen in den Ländern und was EZ bewirken kann -- oder auch nicht -- oder ob sie aber nicht sogar schadet. ACHTUNG: In Ermangelung von Kommentaren lediglich Beiträge zu EZ-Themen. _________________________________________________________________

11. April 2009

Mehr Geld, weniger Entwicklung: Wie Afrika seine Würde verliert

SPIEGEL Online:

GESCHEITERTE ENTWICKLUNGSHILFE

Wie Afrika seine Würde verliert

Auszüge:

Afrika braucht Unterstützung - aber nicht jene, die der Westen derzeit leistet. Die herkömmliche Entwicklungshilfe habe den Kontinent zum unselbständigen Almosenempfänger erzogen, meint SPIEGEL-ONLINE-Autor
Kurt Gerhardt:Viel besser als Geldgeschenke wirkten Kredite.

Die ausgestreckte Hand ist das Symbol des Kontinents

Nach einem halben Jahrhundert Entwicklungshilfe für Afrika ist die ganze Geberwelt immer noch überzogen mit einem Netz von Hilfeagenturen aller Art, staatlich und privat. Regierungen, Kommunen, kirchliche Hilfswerke, Unternehmerverbände, Gewerkschaften, eine unübersehbare Zahl von Wohltätigkeitsverbänden, Schulen und Patenschaftsvereinen - alle helfen Afrika, oder besser: wollen helfen. Und Afrika nimmt gern, auch wenn es die eigene Würde verletzt. Die ausgestreckte Hand ist geradezu zu einem Symbol des Kontinents geworden. Die Menschen hüben und drüben haben sich an diesen Zustand so sehr gewöhnt, dass diese Absurdität ihnen normal vorkommt. (...)

Das Geben und Nehmen festigt die Abhängigkeit Afrikas und verhindert Entwicklung. Es missachtet die banale Einsicht, dass Entwicklung immer nur das sein kann, was Menschen und Gesellschaften für ihr Fortkommen selbst leisten. Was wir tun, ist ziemlich uninteressant. Was sie tun, die Afrikaner, ist entscheidend. Ihre Eigendynamik ist durch nichts zu ersetzen, auch durch keine noch so gut gemeinte Hilfe von außen.

Mit der Entwicklungsdynamik Afrikas sieht es schlecht aus. Natürlich gibt es für alles gute und leuchtende Beispiele, aber typisch für den Kontinent sind sie nicht. Wer Entwicklungsdynamik erleben will, muss auf die quirlige Betriebsamkeit aufstrebender Länder Ostasiens schauen, wo internationale Entwicklungshilfe eine geringe Rolle spielt. (...)

Trotz dieser Widrigkeiten kann der Maßstab für die Qualität unserer Entwicklungshilfe nur sein, inwieweit es ihr gelingt, afrikanische Eigendynamik zu wecken und zu stärken. Diese simple und fundamentale Einsicht wird in der Praxis der Entwicklungshilfe zuwenig beachtet. Um die Leistung der Geberstaaten zu messen, schaut man stattdessen auf die sogenannte ODA-Quote (Official Development Assistance; Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttonationalprodukt) und täuscht sich damit selbst. Denn mit Entwicklung hat diese Quote wenig zu tun, mehr mit dem Gegenteil. (...)

Aus Washington oder Brüssel wird das Heil nicht kommen

Bei jedem Auftauchen eines Problems nach ausländischen Gebern und Helfern zu rufen, die es lösen sollen, wird sie nicht weiterbringen. Aus Washington, Brüssel oder Berlin wird ihnen das Heil niemals kommen. Es wird entweder aus ihren eigenen Köpfen und Händen kommen - oder gar nicht.

Zum mangelnden Entwicklungsstreben haben wir gehörig beigetragen ... (...)

Afrika muss selbst mehr Verantwortung übernehmen

Die Dinge stehen auf dem Kopf: Es ist nicht wichtig, wann gewisse Finanzierungsziele erreicht werden, sondern welche Aufgaben zu erfüllen sind. Wieviel Geld dazu nötig ist, kann erst danach berechnet werden. Von vornherein zu sagen, die Entwicklungshilfe brauche mehr Geld, ist daher falsch. Genauso töricht war im Jahre 2005 der Beschluss des G-8-Gipfels im schottischen Gleneagles, die Entwicklungshilfe für Afrika zu verdoppeln. Auch wenn alle Bonos, Geldofs und Campinos dieser Welt auf "mehr Geld" setzen, bleibt diese Politik gefährlich für die Entwicklung Afrikas.

Der aus zahllosen Agenturen und Organisationen bestehende gigantische internationale Entwicklungshilfeapparat ist zu weit von der Wirklichkeit entfernt. Er dreht sich um sich selber und kreist um den afrikanischen Kontinent wie ein Raumschiff, in dem fleißige und engagierte Fachleute unentwegt Strategien ersinnen, Konferenzen abhalten, Konsense schmieden, Studien publizieren, Agenden formulieren, makro-ökonomische Modelle durchrechnen und jedenfalls Tonnen von Papier produzieren, bei denen man besser nicht fragt, wer sie liest. Dieses Raumschiff funktioniert so perfekt, dass es auch ohne Afrika gut existieren könnte. (...)

Nochmals der >> Link zum vollständigen Artikel auf SPIEGEL online.

Logischerweise stimme ich in den meisten Punkten mit meinem Kollegen überein. Allerdings ist der Schluss mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Bildungsanstrengungen etwas kurz gegriffen. Sicherlich ist diese sehr kompakt gefasste Forderung auch der Vorgabe von SPIEGEL Online geschuldet, sich kurz und griffig zu fassen. Bildung ohne den entsprechenden Kontext ist allerdings eine Nullnummer! Was nötig ist, ist eine umfassende Exit Strategy, die sich m.E. über einen längeren Zeitraum von bis zu 2 bis 3 Jahrzehnten hinziehen muss und wo die Conditionalities (z.B. Herstellung WIRKLICH gerechter Handelsbeziehungen) bei uns im Norden, nicht bei den EL im Süden liegen.

Mehr dazu in meinem Beitrag vom letzten Jahr (zur Exit Strategy vor allem am Ende):

>> "Entwicklungshilfe auf dem Prüfstand"

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