Diskussion über Themen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in/mit Westafrika einschließlich (und vor allem) der politischen sowie sozio-ökonomischen Bedingungen in den Ländern und was EZ bewirken kann -- oder auch nicht -- oder ob sie aber nicht sogar schadet. ACHTUNG: In Ermangelung von Kommentaren lediglich Beiträge zu EZ-Themen. _________________________________________________________________

25. März 2008

Remittances – Transfer mit Tücken

Das Thema Remittances, die in vielen Entwicklungsländern volumenmäßig oft das Mehrfache der EZ-Transfers ausmachen, hat mich immer schon interessiert. Dabei ist es mir immer schwer gefallen, den eigentlichen Nutzen für die betroffenen Länder zu verstehen. Naja, bin ja kein Ökonom. Aber große Bedenken hatte ich schon immer. Vor allem, wenn ich die vielen halbfertigen bzw. leerstehenden Häuser in Accras Umgebung sehe, die i.d.R. von im Ausland, vor allem in den USA lebenden Ghanaern gebaut wurden und immer noch werden. Jetzt ist ein Artikel in der ZEIT erschienen, der hierzu interessante Aspekte und Fragen beleuchtet. Es geht da weniger oder gar nicht um Subsaharan Afrika, aber die Parallelen sind unübersehbar. Hier einige Auszüge:

Transfer mit Tücken

Mit dem Geld, das sie im Ausland verdienen, unterstützen viele Migranten ihre Verwandten in der Heimat. Den dortigen Volkswirtschaften hilft das aber wenig.

Von Jan Pallokat | © DIE ZEIT, 20.03.2008 Nr. 13 >> Quell-URL

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Die Überweisungen sind ein Mehrfaches der Entwicklungshilfe

Was der Einzelne in die Heimat schickt, sind oft nur Kleckerbeträge: 300 Euro zahlt der typische Migrant in Europa, wenn er etwas überweist, 300 Dollar der in den USA, weiß der Migrationsforscher Manuel Orozco von der Washingtoner Georgetown University. In Summe aber sind diese remittances ein gewaltiger Geldstrom. Im Jahr 2006 nach Schätzungen der Weltbank mindestens 200 Milliarden Dollar, nach anderen Schätzungen gar 300 Milliarden. Das wäre das Dreifache der weltweiten Entwicklungshilfe. (…)

Nach landläufiger Meinung können diese Zahlungen nur gut sein für die Länder, in die sie fließen. Zumindest kurzfristig lindern sie tatsächlich die Armut, sagen die Migrationsforscher John Page und Sonia Plaza von der Weltbank. Ob die Zuwendungen allerdings langfristig helfen, steht auf einem anderen Blatt. Wenn so viel Geld plötzlich aus dem Ausland kommt – dann sinken in manchen Ländern die Anreize, den Rücken in der Landwirtschaft krumm zu machen oder in anderen heimischen Branchen, wo vergleichsweise lächerliche Erträge winken.

Äußerst selten werden die Geldgeschenke nachhaltig investiert oder gespart. Sie wandern meist umgehend in den Konsum, wie etwa Studien des US-Instituts Bendixen zeigen. Wenn die örtliche Wirtschaft nicht sonderlich viel herstellt, werden diese Konsumgüter importiert. Gleichzeitig steigen die Preise. Leidtragende sind dabei die Armen im Land, die ohne Auslandsgeld auskommen müssen. »Die Ärmsten können nicht auswandern«, weiß Manuel Orozco. Um ein Familienmitglied ins Ausland zu schicken, braucht man Startkapital, allein um die Auswanderungskosten zu decken.

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An manchen Orten stellt die Welle von Heimatüberweisungen die Wirtschaftspolitiker vor fast unlösbare Aufgaben. In Georgien zum Beispiel, wo die Geldtransfers vornehmlich aus Russland kommen, schlagen die Ökonomen Alarm. Die Inflation ist hoch, und schuld an den steigenden Preisen ist das Geld von den Gastarbeitern. Zu viel Geld – jährlich etwa 300 Millionen Dollar, das entspricht den Gesamtexporten des Landes – trifft auf eine noch sehr schwach entwickelte Wirtschaft, die mit dem Millionensegen schlicht überfordert ist.

Ein Teufelskreis entsteht: Der Außenwert des georgischen Lari steigt auch wegen der immensen Zuflüsse an Rubel immer weiter an. Die Auslandsgeorgier müssen daher immer mehr Fremdwährung überweisen, um die Familien daheim satt zu machen – und treiben den Außenwert des Lari, die Geldmenge und die Inflation nur noch mehr an. Diese Inflation ist nicht nur ein Problem für die Wirtschaft, sie trägt auch maßgeblich zu den sozialen Spannungen bei. Das Heer der Armen spürt bislang wenig von den makroökonomischen Erfolgen der Regierung, dafür aber umso unmittelbarer die immer höheren Ausgaben für Lebensmittel und Energie.

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Denn das ist die Kehrseite der Rückzahlungen: Die meisten Auswanderer arbeiten in der Fremde, haben etwas gelernt, können etwas – und fehlen daheim. Ihr Tun kommt vor allem den Gastländern zugute. Weltbank-Mann Dilip Ratha macht das am Beispiel der USA klar, wo die meisten Heimatüberweisungen von Gastarbeitern ihren Ursprung haben. »Es handelt sich eben nicht um Entwicklungshilfe aus Steuermitteln, sondern um Mittel, die erarbeitet wurden«, betont er. »Von 100 verdienten gehen 6, maximal 20 Dollar in die Heimat, der Rest bleibt in den USA.«

Am meisten wäre den Empfänger-Ländern wohl geholfen, kämen die Migranten samt Erfahrungen und Know-how nach einigen Jahren wieder in ihre Heimat zurück. Tatsächlich haben solche Gegenbewegungen mancherorts eingesetzt. Galt Braindrain, der Abfluss von klugen Köpfen, noch bis vor Kurzem als große Gefahr für arme Länder, so hat sich die Aufmerksamkeit der Migrationsforscher inzwischen verlagert – hin zum wechselseitigen Austausch kluger Köpfe. Allerdings betrifft die Sache mit dem Hin- und Herwandern vor allem Menschen aus vergleichsweise reicheren Ländern. Wer aus der Not heraus emigriert, bleibt in der Regel. Zwar plagt auch diese Menschen Heimweh. »Aber der Rückkehrwunsch wird schon wegen der Kinder zurückgestellt«, weiß der Hamburger Ökonom Thomas Straubhaar. »Sie sollen es im Gastland einmal leichter haben.«

So geht es bei der Debatte um das Geld der Gastarbeiter um mehr – nämlich darum, sie dazu zu bewegen, eines Tages wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

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