Totenstille um NEPAD
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Totenstille um den Rettungsplan
Von Thomas Scheen, 31. Mai 2007
Midrand, im Mai. Fünf Jahre ist es her, als die afrikanischen Staaten kundtaten, ihre wirtschaftliche Entwicklung nunmehr selbst in die Hand nehmen zu wollen. Nepad (New Partnership for African Development) hieß der entsprechende Plan, der auf Eigenverantwortung setzte, auf gute Regierungsführung und vor allem auf die Schaffung von Rahmenbedingungen, die ein privatwirtschaftlich getragenes Wachstum ermöglichen sollten. Es verging kein G-8-Gipfel, bei dem der Nepad-Plan der Afrikaner nicht als ideales Vehikel für den Aufschwung des Kontinents gelobt wurde. Inzwischen ist es totenstill um Nepad geworden.
In den Hügeln von Midrand, jener öden Schlafstadt zwischen Johannesburg und Pretoria, wo das Nepad-Sekretariat bei einer Bank zur Untermiete wohnt, hören sie den Namen Abdoulaye Wade nicht gerne. Denn ausgerechnet der 80 Jahre alte senegalische Präsident Wade, der neben dem Südafrikaner Thabo Mbeki und dem Algerier Abdelaziz Bouteflika als Gründungsvater des Entwicklungsplanes gilt, hat sich als Spielverderber entpuppt.
„Spesenrittertum und Zeitverschwendung“
Nepad sei nichts weiter als "Papiergeraschel ohne Konsequenzen, Spesenrittertum und Zeitverschwendung", hatte Wade über die bisherigen Bemühungen gegrollt, die Selbstverantwortung Afrikas bei der Armutsbekämpfung endlich in die Tat umzusetzen. "Wade hatte vermutlich andere Vorstellungen als wir", versucht sich Hesphina Rakato, die stellvertretende Generalsekretärin des Nepad-Sekretariats, an einer Erklärung.
Wade wollte nicht reden, Wade wollte bauen: Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien, kreditfinanziert und anschließend privatisiert. Die Zimbabwerin Rakato aber spricht - weniger handfest - lieber über die "Notwendigkeit zur Änderung der Mentalitäten", über die "Vermittlerrolle" des Nepad-Büros und darüber, dass es ihre vornehmste Aufgabe sei, "politische Barrieren abzubauen". Fünf Jahre seien keine lange Zeit, um so etwas wie eine panafrikanische Wirtschaftsidentität zu schaffen, sagt sie weiter. "Wir müssen uns erst über unseren Weg klarwerden, der ein afrikanischer Weg sein muss", sagt Frau Rakato. Der Einwand, dass es für die Schaffung von Investitionserleichterungen keines afrikanischen Weges bedürfe, sondern lediglich einiger Bücher über Volkswirtschaft, will Frau Rakato nicht gelten lassen. "Zuerst müssen wir politische Einigkeit herstellen, sonst stehen wir in zehn Jahren wieder dort, wo wir angefangen haben."
„Kein Mensch für irgendetwas verantwortlich“
Es wäre jetzt recht einfach, Nepad den Totenschein auszustellen. Befragt nach konkreten Ergebnissen des Nepad-Planes, wird in Midrand etwas von einem Schulspeisungsprogramm in Ghana gemurmelt. Doch die bedächtige Frau Rakato hat vermutlich genauso recht wie der ungeduldige Wade. "Wir Afrikaner müssen endlich lernen, mit uns selbst auszukommen", sagt sie. Als Zimbabwerin sei sie zwar schon unzählige Male in Großbritannien gewesen, Ghana aber habe sie erst kürzlich zum ersten Mal besucht. "Wir kennen uns doch gar nicht."
Immerhin habe der Nepad-Plan dazu beigetragen, dass Afrika in einen innerkontinentalen Dialog getreten sei. Dass sich bei gleicher Gelegenheit der immer wieder geforderte Mentalitätswandel der afrikanischen Eliten einstellt, daran glaubt nicht einmal die eloquente Frau Rakato. "Hier war bislang doch kein Mensch für irgendetwas verantwortlich", seufzt sie.
Gegenseitige Kontrolle
Derjenige, der den afrikanischen Regierungen trotzdem das Einmaleins der guten Regierungsführung beibringen soll, heißt Bernard Kouassi, stammt aus Côte d'Ivoire und leitet jene Kontrolleinrichtung, mit der die afrikanischen Staatschefs sich gegenseitig auf Trab bringen wollen: das "Peer Review Secretariat". Die Kontrolle durch seinesgleichen gilt als das wichtigste Instrument des afrikanischen Entwicklungsplanes. Wenn Kouassi die Früchte seiner Arbeit illustrieren soll, greift er gerne zu Papier.
Drei bücherdicke Berichte sind es, die er vorlegen kann; Berichte über den politischen, sozialen und vor allem wirtschaftlichen Zustand Ghanas, Ruandas und neuerdings Kenias. Drei Länder in fünf Jahren sei nicht eben viel, gesteht er sofort ein, aber schließlich habe es drei Jahre gedauert, bis er überhaupt das Geld zusammenhatte, sein Sekretariat ins Laufen zu bringen - was ganz nebenbei einiges über das Interesse der Afrikaner an diesem Kontrollgremium aussagt. Jetzt verfügt Kouassi über ein Budget von sieben Millionen Dollar pro Jahr. Das sei ausreichend, sagt er.
26 Länder haben sich mittlerweile bereit erklärt, sich der Kontrolle durch ihresgleichen zu unterwerfen. Das entspreche knapp 74 Prozent der gesamten afrikanischen Bevölkerung, sagt Kouassi. Im Idealfall führen die Ergebnisse seiner Sachverständigen zu einem Aktionsplan, mit dem die inspizierten Länder ihre festgestellten Defizite abbauen sollen. Als feste Einrichtung hat dies aber bislang lediglich Ghana übernommen. Kouassis Befunde sind nicht bindend für die untersuchten Länder - und somit unwirksam. Ohnehin täten sich viele Staatsoberhäupter schwer mit Kritik an ihrer Regierungsführung. "Da fehlt es vielerorts noch deutlich an Souveränität", sagt der Ivorer.
Text: F.A.Z., 31.05.2007, Nr. 124 / Seite 6
Bildmaterial: AFP
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