Diskussion über Themen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in/mit Westafrika einschließlich (und vor allem) der politischen sowie sozio-ökonomischen Bedingungen in den Ländern und was EZ bewirken kann -- oder auch nicht -- oder ob sie aber nicht sogar schadet. ACHTUNG: In Ermangelung von Kommentaren lediglich Beiträge zu EZ-Themen. _________________________________________________________________

28. Mai 2008

Verfehlte westliche Agrar-EZ

Ich habe lange bevor es nun in aller Munde ist in meinem Blog (siehe rechts) die Frage gestellt:

Hunger in Afrika: Trotz oder wegen Entwicklungshilfe?!

Nun lesen wir auf SPIEGEL Online u.a.

"Statt Reis mit Gemüse gibt es meist nur noch Maisfladen: Drei Viertel ihrer Einkünfte muss Asèta Ouédraogo aus Burkina Faso heute für Nahrungsmittel ausgeben. Wenn die Preise so hoch bleiben, kann bald keines der vier Kinder mehr zur Schule gehen."

Quelle: >> Schulgeld für die Kinder? Können wir nicht mehr bezahlen

Reis war in den ariden und semi-ariden Gebieten Afrikas nie Grundnahrungsmittel. Durch falsche Agrarförderstrategien sind Essgewohnheiten der Bewohner Afrikas gezielt verändert worden, Reis ist nur ein Beispiel von vielen (wobei es nicht immer die Agrarförderung war, sondern zB auch kostenlose Schoolfeeding Programme). Da kam eine unheilvolle Allianz zwischen nördlichen Interessen (hier sind in erster Linie die USA zu nennen, die damit ihre Getreide-Überproduktion entsorgten; sorry, ich bin grundsätzlich kein Amerika-Basher, aber wo es sein muss, muss es sein) und afrikanischen politischen Eliten (i.d.R. in diktatorischen Regimen während des Kalten Kriegs) zustande. Wobei Letztere an Importen interessiert waren, an denen sie mitverdienen konnten, auch wenn es auf Kosten der Förderung der einheimischen Bauern ging. Später konnten dann die gleichen Leute (und die aus dem Norden auch) mit den entwicklungspolitisch einwandfreien Begriff der Importsubstitution Bewässerungsprojekte für den Reisanbau anleiern. Vom Wasserhaushalt her ist das das allerletzte, was man zur Nahrungsmittelproduktion in ariden und semi-ariden Gebieten machen sollte, es ist folglich auch ökonomisch sträflicher Unsinn. Der Widerspruch, dass sich die politischen Eliten mit der Förderung einheimischen Reisanbaus eine Geldquelle selbst trocken legten, ist nur ein scheinbarer: Der so produzierte Reis macht nur einen Bruchteil der inzwischen aufgrund der veränderten Essgewohnheiten benötigten Reismengen aus. Und die Geber beklatschen solche Projekte blindlings: Kann man doch damit beweisen, dass der oft gehörte Vorwurf, man vernachlässige die Landwirtschaft und die Förderung ländlicher Gebiete, (scheinabr) falsch ist.

Trotz der rückläufigen Nahrungsmittelproduktion einheimischer Arten wie beispielsweise Maniok, Jam und Hirse ist der Preisschock bei den Nahrungsmitteln in erster Linie ein Reis-Preisschock! Bei den in Afrika zur Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehenden Flächen sollten steigende Preise für Nahrungsmittel eigentlich eine gute wirtschaftliche Chance darstellen. In diesem Kontext möchte ich auf einen interessanten Aufsatz meiner Kollegin Corrina Heuer vom KAS-Regionalbüro Benin hinweisen:

Die Lebensmittelkrise in Westafrika – ein „wake up call“ für die Regierungen?

Ihr Resümee:

"Handelt es sich bei der derzeitigen Krise also tatsächlich um einen "Wake-up call" für die afrikanische Landwirtschaft, wie Donald Kaberuka, der Vorsitzende der Afrikanischen Entwicklungsbank, kürzlich in einem Interview sagte? Sind die hohen Preise Anreiz genug, um eine massive Produktivitätssteigerung zu erreichen? Viele Faktoren müssen dazu zusammen kommen. In vielen Staaten muss das Bodenrecht reformiert werden. Immense Summen müssen mobilisiert und in Bewässerung, Transportinfrastruktur, Saatgut und Dünger, Weiterverarbeitung, Qualitätskontrolle und Marketing investiert werden. Die ländliche Bevölkerung muss in diesen Bereichen fortgebildet werden. Damit diese Investitionen nicht verpuffen, muss der Norden seine Agrarsubventionen so schnell wie möglich einstellen und die ärmsten Staaten des Südens müssen darüber hinaus die Möglichkeit behalten, strategisch für eine gewisse Zeit einzelne Märkte durch Zölle zu schützen. Umfassende Strategien müssen entwickelt und umgesetzt werden. Dazu müssen die afrikanischen Eliten die Entwicklung des ländlichen Raums endlich in den Mittelpunkt ihres Interesses rücken. Die hohen Nahrungsmittelpreise sind auch eine Folge der jahrzehntelangen Vernachlässigung der ländlichen Regionen Afrikas. Diese müssen zukünftig im Zentrum der Bemühungen stehen. Hierzu ist auf politischer Ebene die Dezentralisierung voranzubringen. Wirtschaftlich muss die Landwirtschaft einen echten Aufschwung erfahren, der die Produktivität steigert, die Nahrungsmittelsicherheit erhöht und Einkommen für die ländliche Bevölkerung schafft."

Quelle/URL: >> hier

Hier zeigt sich auch deutlich, dass das alles nicht zum Nulltarif zu haben ist und in den vergangenen Jahrzehnten wichtige Zeit und Mittel vergeudet wurden. Ob das mit den kollidierenden Interessen korrupter einheimischer Eliten zu haben ist, wage ich allerdings zu bezweifeln. Denn ohne den politischen Willen afrikanischer Regierungen und der Parlamente geht das nicht. Zumindest sollten wir uns aber nicht zu den Handlangern und Kollaborateuern zweifelhaft legitimierter Regierungen (das sind "nur" Administrationen!), die i.d.R. nur unzureichend oder gar nicht von den Parlamenten kontrolliert werden können, machen! Auch nicht dadurch, dass wir den politischen Dialog mit den EL zu einem administrativ-technokratischen degradieren -- bzw. seit langem degradiert haben -- und damit unsere eigenen Good Governance Ziele aushebeln.

Was die eingangs gestellte Frage anbetrifft -- Hunger trotz oder wegen EZ -- so überlasse ich die Antwort jedem selbst!

3. Mai 2008

EU Agrar-Dumping: Systematische Zerstörung afrikanischer Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln

Die Verlogenheit der EPAs (siehe vorhergehenden Beitrag) zeigt sich auch darin, dass andere wichtige Maßnahmen unterbleiben, z.B. der kontinuierliche Abbau der für Afrika tödlichen EU-Agrarsubentionen. Kürzlich entgegnete mir ein junger EZ-Schlipsträger in Verteidigung der EPAs, dass es ja wohl naiv von mir wäre anzunehmen, man könne in Europa erfolgreich gegen die französischen Agrarinteressen angehen. Da seien die EPAs das einizige Richtige, was man machen könnte. Ich muss zugeben, dass ich seinerzeit, als ich von 1984 bis 1993 in Nigeria und Uganda gearbeitet habe, genauso blauäugig die Structural Adjustment Programme verteidigte. Damals hatte ich tatsächlich geglaubt, bei IMF und World Bank wäre genügend Sachverstand vorhanden, das Richtige zu tun. Das dort am grünen Tisch experimentiert wurde, auf diese Idee wäre ich nicht gekommen.

Im Folgenden ein Auszug aus dem Beitrag >> Die Verbrechen der neoliberalen Globalisierer gegen die Menschheit, wobei ich empfehle, den gesamten Beitrag von Joachim Jahnke, Betreiber des Informationsportals Deutschland und Globalisierung, zu lesen (also auch das erstens und zweitens).

"Drittens haben die Agrarinteressen der Großbauern in USA und Europa zu Riesensubventionen für den Export in arme Entwicklungsländer geführt, mit denen dort die heimische Produktion verdrängt wurde und heute in der neuen Knappheitssituation fehlt. Umgekehrt wurden dort Monokulturen aufgebaut, um z.B. Blumenfreunde in den reichen Industrieländern zu beliefern. Auch solche Monokulturen tragen wenig zur Ernährung der Armen bei. Jean Ziegler nennt auch dieses Verbrechen beim Namen: 'Die Industriestaaten der OECD haben ihren Landwirten und Viehzüchtern im Jahr 2007 mehr als 350 Milliarden Dollar an Subventionen für Produktion und Export ausbezahlt. Insbesondere die Europäische Union praktiziert in Afrika das Agrar-Dumping. Das führt in erster Linie zur systematischen Zerstörung der afrikanischen Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln.'"